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Eine kurze Betrachtung zu Meditation

Der Satz: "Ich meditiere." ruft hochgezogene Augenbrauen hervor. Ich ziehe mich aus dem Getümmel des Lebens heraus, bin eine Zeit nur für mich - das ruft Bewunderung hervor (die nicht gerechtfertigt ist) oder Spott (der auch nicht gerechtfertigt ist).

Was ich daran finde? Man setze sich einmal still hin, sei aber trotzdem aufmerksam, mit geschlossenen Augen oder mit offenen, ohne Anspruch, etwas besonderes zu erreichen oder zu tun. (Die Zen-Buddhisten nennen das glaube ich "Mu", das heißt soviel wie "nichts besonderes". Das ist schon ein Paradoxon. Versuch mal "nichts besonderes".) Man wird nach kurzer Zeit bemerken, dass etwas passiert, meist etwas angenehmes, manchmal auch eine Spannung, eine Unruhe. Oder anders: man bewege sich sehr langsam und dabei bedacht, nach einer Vorschrift (wie beim Tai Chi), oder auch frei, und erspüre aufmerksam was im Innern vor sich geht. Was passieren kann, ist dass ein Gefühl des Erfolgs und der Fülle auftaucht, ein Wohlbefinden, dass treibende Unruhe verschwindet, dass der Wille klarer wird. Das suche ich: ein anderes Lebensgefühl als Bedrängtheit.

Leute nennen alle möglichen Techniken Meditation, und die Meister sagen, man könne aus allem eine Meditation machen. Ich möchte ein wenig auf den Begriff eingehen, weil er nicht eindeutig ist. Ich lese im Lateinwörterbuch: "meditatio - Nachsinnen, Vorbereitung, Ausübung". Aus dem Herkunftswörterbuch erfahre ich, dass die Wurzel die gleiche ist wie die von "messen, ermessen". Ursprünglich war also mit "Meditation" das Erwägen aller Aspekte eines Sache gemeint, durchaus im Hinblick auf Handeln. Sie ist dann zu einer Übung der christlichen Mönche geworden, die aus dem Nachdenken über etwas Praktisches das geistige Untersuchen eines Abstraktums, eines Prinzips, eines religiösen Gedankens gemacht haben. Schließlich wurde die Bezeichnung auf hinduistische und buddhistische Übungen übertragen, und zwar nicht nur solche, bei denen der Geist Gedanken untersucht, sondern auch solche, bei denen er sich auf einen Punkt konzentriert oder von einem Inhalt erfüllen lässt - oder sogar ohne bestimmtes Objekt ruhig, aufmerksam und klar ist. Meditation ist die Technik, aber auch, bei Osho, der Zustand, in den man "fällt", d.h. den man nicht willentlich erreichen kann.

Verschwinde ich, wenn ich wirklich in Meditation bin? Das ist es, was die Zen-Leute sagen: das Ich verschwindet und alle Dualitäten mit ihm.

Ich stelle mir das in meiner naturwissenschaftlichen Borniertheit so vor: Alles Denken ist in letzter Konsequenz vorgestelltes Handeln. Das Ich ist das Bild des Selbst im vorgestellten Anderen und als solches ein Bestandteil des Denkens. Es setzt Vorstellung voraus. Dann gibt es noch die Bewertungen, gefühlsmäßige Assoziationen zu Wahrnehmungen. Diese beziehen sich aber nicht nur auf die Realität, oder was wir dazu machen, sondern auch auf nur vorgestelltes, also auf reine Geistesinhalte. Man kann sich leicht vorstellen, dass ohne beständigen Bezug auf einen stabilisierenden Faktor der Geist durch seine Selbstbezogenheit in irgendwelche abgehobenen, seligen oder schmerzlichen Zustände abdriften kann. In der Meditation nehme ich immer mehr geistige Energie aus Spiel und Widerspiel der Gedanken, indem ich sie wohlwollend distanziert betrachte. Die Echos und Reflexionen werden weniger. Ich spüre, dass der, mit dem ich immer rede da drin, nicht existiert, wenngleich ich zugebe, dass ich ihn noch brauche. Wenn das innere Gegenüber nicht existiert heißt das, dass meine Gedanken sich mehr und mehr unmittelbar in Handlungen in der Aussenwelt umwandeln. Ich werde einfacher. Gedanken und Handlungen verhalten sich zunehmend wie Wasser, das in einem System von Wasserfällen einen Hang hinabstürzt - sich teilend, sich vereinigend, aber glatt und ohne Kreisläufe.

Das ist, was der europäische Buddhist Ole Nydahl einmal als Sinn des Lebens bezeichnet hat: "Im Nu die Möglichkeiten des Jetzt entfalten." Das ist gemeint, wenn es in der japanischen Schwertkunst heißt, es solle bei einem gegnerischen Schlag "kein Haarbreit zwischen Wahrnehmen und Ausweichen liegen".

Wenn Identität ein Satz von Einstellungen, Wahrnehmungen und Verhaltensweisen ist, die uns die Gewissheit vermittelt, zu existieren, also eine Erstarrung des Verhaltens, an der wir hängen, und die wir Angst haben zu verlassen, so macht uns Meditation das Willkürliche, Gewählte daran bewusst und dient so dazu, Identität als unbewußte aufzulösen. Andererseits ist Meditation selber etwas Bleibendes, Formalisiertes, Festgesetztes - Meditation ist selber Identität. Das ist unerwartet und paradox. Das zeigt, dass man es nicht kriegen kann, wenn man darüber spricht, weil es gerade "nicht darüber sprechen" ist.

Soweit all die schwierigen Gedanken über das Nicht-Denken - von einem dessen Identität die Reflexion ist.